Paul
Fleischwerdung (2005)
 
 
198 S.; 9,2 cm x 11,6 cm; Softcover
ISBN: 3-003016625-4
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Zum Inhalt:

Pauls Schreiben ist von einer merkwürdigen Doppeltheit geprägt: einerseits stehen da dadaistisch anmutende Einsprengsel, die von beinahe beliebigem Gelegenheitsdichten zeugen, andererseits ist vor allem bei seinen prosaischen Versuchen ein großer Ernst, eine strenge Einhaltung geltender Grammatik- und Rhythmusgesetze zu beachten, zudem folgen diese Texte logischen Momenten. Die Dramen wiederum sind leicht und spielerisch und scheinen sich an irgendwelche Theorien gar nicht halten zu wollen, es sind lyrizide Dramolette, die nur dem augenscheinlichen Effekt folgen, der wiederum durch einen abrupt einbrechenden Nihilismus Nietzsche, Dostojewski oder auch Bakunin in seiner Radikalität verpflichtet scheint. Das Absurde, das der Dichter nach Selbstauskunft erzeugen will, steht auf sehr realistischen Beinen. So entstehen Texte, die immer mit einem Bein in der Wirklichkeit stehen und diese so gut wie nicht verzerren.

 
Leseprobe Lyrik:
da. dich.

paula.
dir noch.
ein letztes wort.
auf den weg.
die wiesen.
wie träume.

einen hauch noch,
hinterher,
einen klang,
der schon fern,
doch dir nur:
dir.

sacht nur, ach,
ganz zart wie
schmetterlingsfedern
an deiner wange,
wind und doch
ein kuß.
ein letztes noch,
als wär’s das erste,
das aus dem ur und uns
wie ein geschenk -
schon ist die tinte all
und bleibt:

dich.

Begebenheit Nr. 11
(den Verschollenen gewidmet)

ein Korken
baumelt belanglos
getragen durchs
Wellenspiel –

hüpft hin und her
dummdidi-dummmdei,
als tanze er
zu unerhörter Musik –

er scheint zu lächeln,
schelmisch, neckisch,
zu schmunzeln wie ein
Hefezopf –

ein Korken
baumelt so für sich hin,
geht unter.

 
Leseprobe Prosa:

Pawel-Iwanowitsch - eine literarische soireé in a-moll

Pawel-Iwanowitsch existiert gar nicht. Er ist eine fiktive Person. Eine Ausgeburt der Phantasie. Und doch scheint er zu leben. Irgendwo in Sibirien. Irgendwo bei Omsk. Sitzt irgendwo bei Omsk in seiner ärmlichen Behausung. Vorzugsweise unterm Tisch. Bei einer Flasche Wodka. Und einem Sack Zwiebeln. Sitzt unterm Tisch und sinniert. Oder lauscht dem Wind. Oder dichtet... Pawel-Iwanowitsch ist ein Russe durch und durch. Er verkörpert das Schöne und Tragische der russischen Seele, die uns „Abendländlern“ so fremd und doch ach so romantisch anmutet. In seiner Naivität und Schlichtheit widerfährt Pawel-Iwanowitsch das, was dem logischen und fortschrittsgenarrten Verstand kaum begreiflich. Er wandert auf dem Grat zwischen Realität und Traum, gleitet in eine Sphäre jenseits von gut und böse, und verharrt dort dichtend im Absurden... .
Was da in der Buchstabenschmiede entstanden ist, war zunächst Erz. Erz der Erde, das zum Glühen gebracht und etliche Metamorphosen durchlaufen hat. Das „behämmert“ wurde, geschliffen, poliert, bis daß ein güldner Kern erschien... – die Essenz, die Kumulation, die Verdichtung!
Geschrieben sind diese Texte für all diejenigen, die etwas Gespür, gar Feingefühl für das Schöne als solches besitzen, die gewillt und bereit sind, sich für Augenblicke aus dem Taumel der Zeit zu lösen, um inne zu halten, um zu verharren und ihre Lippen zu einem „oh!“ zu formen... .
Diese Poesie soll Lust machen, Lust auf Sprache, Lust auf das geschriebene, das gesprochene Wort, denn das Wort ist Fleisch geworden... – es ist Poesie für die Schön- und Freigeister, für die Liebenden, Leidenden und Leidenschaftlichen, für die Sehnsüchtigen und Trunkenen, für die Clowns, Don Quijotes und für dich!

...den Olfactorius-Nerv betreffend

Ein Bürger, der einen Baumstamm von ganz beachtlichem Ausmaß hinter sich herzog, lief keuchend und schwitzend durch die Straßen der Stadt. Fragte ihn verwundert ein vom Alter bereits gezeichnetes Männlein: „He, Bürger! Was plagst du dich mit diesem Baumstamm? - Und überhaupt, du blockierst damit den ganzen Trottoir!“
Antwortete der Bürger, sich den perlenden Schweiß abwischend: „Nun, Väterchen, die Sache ist ganz einfach, ich liebe nun mal den Geruch von Holz!“
Sprach’s und zog weiter seines Weges. Samt Baumstamm. Den verdutzten Alten zurücklassend.
Man erzählte sich übrigens, daß kurze Zeit später einer eine Frau hinter sich hergezogen hatte - aber das ist eine andere Geschichte...

© vonWolkenstein.de 2007